Zeit für Kultur
  Kultur in verlassenen Räumen
 


JOHANNES PASSION


 

Jährlich richten die Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit bundesweit die „Woche der Brüderlichkeit“ aus. So auch in Köln. Diese Tage sollen der Verständigung zwischen Christen und Juden dienen, dem Antisemitismus entgegenwirken und das friedliche Miteinander der Religionen und Kulturen in Stadt und Land fördern, das Verantwortungsbewusstsein stärken und nicht zuletzt Vorurteile abbauen.



Judenfeindschaft, das zeigen Untersuchungen, ist noch weit verbreitet. Trotz der leidvollen Erfahrungen in der Geschichte zeigen antijüdische Vorkommnisse und fremdenfeindliche Übergriffe, wie zerbrechlich und bedroht der gesellschaftliche Friede ist: Ob es gewalttätige ausländerfeindliche Übergriffe sind oder die Verwendung von antisemitischen Begriffen im Alltäglichen („Du Jude“ auf dem Schulhof, „Juden-Tor“ im Fußball), ob religiöse Ausgrenzungen oder Verfolgung von Minderheiten, immer steht die




Kirche Schauspiel in Köln - MEMOS texte & musik


Diskriminierung des Anderen im Vordergrund. Sie ist ein gesellschaftliches Phänomen, das oft zu leicht genommen oder gar ignoriert wird.


Als Ursache werden vor allem mangelndes Wissen und Vorurteile genannt. Gerade in einem Ballungsraum wie Köln, in dem verschiedenen Ethnien zusammenleben, ist die Akzeptanz des Anderen von großer Bedeutung.


Hier setzt der Katholikenausschuss in der Stadt Köln und der Verband evangelischer Kirchen in Köln und Region an: Zusammen mit der Synagogengemeinde Köln, der Karl Rahner- und Melanchthon Akademie sowie dem katholischen Bildungswerk haben sie für die Woche der Brüderlichkeit 2015 gemeinsam ein differenziertes Bildungsprogramm mit einem Seminartag und drei Vortrags-/Diskussionsforen entwickelt. Namhafte Referenten aus dem In- und Ausland werden die gleichfalls grenzüberschreitenden Probleme untersuchen und reichen Diskussionsstoff liefern.

Im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe steht die Aufführung der Inszenierten Johannes-Passion. Die Trägerschaft hat der Verband ev. Kirchen in der Stadt Köln und Regiassion von J.S. Bach, Anfang März 2015 in der Kölner Trinitatiskirchen übernommen.




Ziel

Die Kölner Aufführung als Inszenierte Passion erweitert das traditionell rein musikalische Hörerlebnis   durch die Einbeziehung des Breakdance, mit Video-Installationen und des zeitgenössischen Schauspiels.


Durch die scharfzüngige Konfrontation der Johannes-Passion mit den provokanten Interventionen von Walter Jens geraten die Positionen von Recht und Wahrheit, sowie Verantwortung in den Vordergrund und ermöglichen einen Blick in die Aktualität. Die eingeleitete Kooperation mit Schulen   und Einrichtungen der Jugendarbeit, soll helfen, junge Menschen für ein Engagement zu Sicherung humaner Lebensbedingungen zu gewinnen.


Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt des Projektes wird die exemplarische Weiterentwicklung traditioneller Darstellungsformen bei einem Meisterwerk barocken Kulturschaffens sowie dessen kritische Durchleuchtung sein. Und das nicht als Selbstzweck, sondern um die mit diesen Werken beziehungsweise Interpretationen – gewollt oder nicht – über Jahrhunderte hinweg transportierten Vorurteile, Ursache unausrottbarer Feindschaften, ans Licht zu bringen, um sie dadurch aufzulösen.




Die Aufführung

Die Aufführungen der großen Barock-Passionen folgen nahezu ausnahmslos einem festgefügten, tradierten Ritual. Der Inhalt ist an die zweite Stelle gerückt. Die künstlerische Qualifikation des mitwirkenden Personals, die Stellung in der Branche und der festliche Habitus haben die Verkündigung der wahrhaft bedrängenden Botschaft in den Hintergrund gestellt.


Die geplante Aufführung durchbricht diese Praxis. Es geht zwar kein Wort, keine Note der Partitur verloren, aber es wird eine neue Sicht- und Hörweise vermittelt. Es geht also nicht darum, die der Johannes-Passion innewohnenden antijüdischen Passagen zu verbergen, sondern sie zu verdeutlichen. Dem kommt das Projekt entgegen, indem es bei unveränderter Musik weitere Kunstsparten in die Aufführung einbringt.






Judas und Pilatus

Person und Schicksal des Judas nehmen in der Johannes-Passion eine zentrale Stellung ein, wurde doch der neutestamentarische Judas in einer fatalen Tradition zum Prototyp des „Juden“ stilisiert und mit Hilfe der Kunst – auch der Musik- nicht selten dämonisiert. Wie kein anderer musste er als Sündenbock dienen, dem man allzu gerne eigene Schuld und persönliches Versagen auflud. In dem fiktiven Dialog „Judas und Pilatus“ vertieft Walter Jens die Problematik mit ätzender Rhetorik, geschliffen Plädoyers und harter Analyse. Er fordert schließlich, Judas in die Gruppe der Seligen der Kirche aufzunehmen, da es ihm zu verdanken sei, dass Jesus sein göttliches Heilswerk am Kreuz erfüllen konnte. Pilatus kennzeichnet Walter Jens als Zyniker, ein Symbol skrupellos praktizierter staatlicher Macht. Judas hingegen lässt er in seinem Dialog mit dem Gekreuzigten scheitern. Er wird damit zur tragischen Figur persönlichen Versagens, wofür Juden immer wieder missbräuchlich in Haftung genommen wurden.




Die Ausführenden

Für die musikalische Umsetzung konnten der Kölner Bachverein und Concerto Köln, Leitung Thomas Neuhoff, gewonnen werden; beides international anerkannte Bachspezialisten.
Die Positionen der Gesangssolisten werden durch junge Profis aus Israel, Palästina sowie dem Sudan besetzt.


Inzwischen hat die Zusammenarbeit mit Schulen, Kirchen und anderen Bildungseinrichtungen begonnen. Themen u.a. Konzeptentwicklung für die Vorbereitungsveranstaltungen, Einarbeitung in das Kulturgut der Länder des Nahen Ostens usw..





Zusammenfassung

Diese inszenierte Johannes-Passion von J.S. Bach spielt in ihrer oft grausamen Schönheit mitten unter uns und bietet die Möglichkeit, durch die Einbeziehung von Sprache, Filmsequenzen und Tanz den ursprünglichen Sinn der Passion zu beleben. Sie fordert auf, persönliche und nationale Barrieren zu überwinden und in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen.


Schließlich soll die Aufführung die Kritikfähigkeit der BesucherInnen herausfordern und die Überwindung von Vorurteilen unterstützen. Das Wagnis, die klassische Barockpassion aus den Ritualen der Konzertsäle herauszuholen, setzt voraus, dass die künstlerischen Grundlagen der Aufführung gewährleistet sind.


Nur dann lässt sich die Absicht verwirklichen, neue künstlerische und gesellschaftspolitische Maßstäbe zu setzen. Eine den heutigen Möglichkeiten entsprechende Technik gehört dazu.


Zusammengehalten wird das Ensemble vom musikalischen Leiter Thomas Neuhoff und Eckhardt Kruse-Seiler, Buch und Regie.


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