Zeit für Kultur
  Kultur in verlassenen Räumen
 


                                                          R E F E R E N Z E N




Rainer Nellessen, Karl Rahner- Akademie

... unmittelbar nach der Hauptprobe sowie bei anderen Veranstaltungen an den nächsten Tagen zeigten sich viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer von diesem Erlebnis „Johannespassion / Judasprozess“ zutiefst ergriffen, beeindruckt, begeistert. Ich kann Ihnen nur von ganzem Herzen gratulieren und ziehe den Hut vor Ihrem unglaublichen Durchhaltevermögen angesichts extremer Schwierigkeiten und vor Ihrer kreativen Power, so viele Mitwirkende zu einer so tief ergreifenden und faszinierenden Umsetzung Ihres Projekts zu führen!!! Und ich bedanke mich im
Namen der Karl Rahner Akademie, dass wir begleitend beteiligt sein durften





Dr. Martin Bock, Leiter der  Melanchthon-Akademie

... in den vergangenen Tagen habe ich so viele uneingeschränkt (!) positive, begeisterte und wahrhaftig ergriffene Rückmeldungen von vielen Besucherinnen und Besuchern bekommen, wie ich es nicht erwartet habe. Für mich ist das nach dem vielen Zittern  und Zagen und den drei großartigen Aufführungen noch einmal eine sehr große Freude, dass sich so viele Menschen – darunter sehr kenntnisreiche und im jüdisch-christlichen Dialog Bewanderte – auf diese Weise geäußert haben und sie uns, Ihnen beiden, gedankt haben, dass es diese Inszenierung mit genau diesen Künstlerinnen und Künstlern, Musikern, Sängern und Tänzern gegeben hat. Genau so habe ich es auch am Samstag empfunden



Dr. Hedda Jung

... sie beide haben sich in beeindruckender Weise mit Walter Jens auseinander gesetzt und haben der Kreuzigung als dem Zentrum unseres christlichen Denkens und Glaubens eine andere Sichtweise und vermutlich eine bessere Chance im  Zusammenleben mit anderen Religionsgemeinschaften  gegeben.
Der Abend war für uns so bewegend und hält uns noch lange in seinem Bann.







Bertold Seitzer, Kirchenmusiker

... da ich den Text des Stückes ja schon ziemlich gut kannte, konnte ich
mich auf Feinheiten und Nuancen der Darstellung und des Spieles
konzentrieren. Andreas Strigl hat den Judas immer sehr gut interpretiert, aber die leisere, etwas introvertiertere Darstellung dieses Mal hat mich sehr berührt.
Chor, Orchester, Sänger natürlich vom feinsten ... Besser als Andreas
Post kann man den Evangelistenpart kaum gestalten.
Inszenierung, Beleuchtung, Sound, die Idee mit der Bühne vor dem
Orchester, das den Anfangschor auswendig mitsingende und darstellende Solistenensemble - alles erste Klasse!
Meinen ganz herzlichen Glückwunsch für dieses gelungene Projekt!




Bach, neu kommentiert

Eine ungewöhnliche Aufführung der Johannes­passion in Köln setzt sich kritisch mit Juden­feind­lichkeit und Opfertheologie auseinander.

Von Christoph Fleischmann,

Publik-Forum 6/15.
Von den Stricken meiner Sünden mich zu ent­binden, wird mein Heil gebunden« - gefühlvoll singt der Countertenor Magid El- Bushra die Arie aus der Johannespassion. Ein bisschen steif, mit gestreckter Brust, steht der junge Sänger da. Um ihn herum schleicht ein dunkelhäutiger Tänzer, Miguel Mavatiko, und schaut ihn konzentriert an.
Er nimmt Bewegungen auf, als wolle er sich aus einer Fesselung befreien, langsam und fließend erst, dann werden die Bewegungen kurz und abgehackt - wie im Breakdance. Ist das wirklich so, scheint er mit seinem Tanz zu fragen: Glaubst du wirklich, frei zu sein, weil ein anderer gebunden wurde?


Ein starker Kommentar zu Bachs Musik. Zu sehen waren die beiden in der Kölner Trinitatiskirche in der Aufführung »Johannes­passion/Judas­prozess«, die der Evangelische Kirchenverband Köln und der Katholikenausschuss der Stadt Köln Anfang März veranstaltet haben. Zwischen die bekannten Chöre, Choräle und Arien der Passion von Johann Sebastian Bach wurden Szenen aus zwei Monologen von Walter Jens gesetzt: „Der Fall Judas“ und „Der Fall Pilatus“, dargestellt von Schauspielern.


Ziel dieser Kombination war es, die juden­feind­lichen Aussagen der Passionsgeschichte nicht unkommentiert zu lassen. Die finden sich schon im Johannesevangelium, in dem »den Juden« die Schuld an Jesu Tod gegeben wird, und sie werden verstärkt durch die Musik Bachs, deren drama­tischstes Element die Chöre sind, die als Volks­menge auftreten: Die penetrante Wiederholung gleicher Elemente unterstreiche die negative Sicht auf das Judentum, erklärt Thomas Neuhoff, Leiter des Kölner Bach-Chores: »Ich glaube, dass es Bach darum ging, die sogenannte -perfidia judaica-, also die Verstocktheit der Juden, durch musikalische Ausdrucksmittel deutlich zu machen.« Die Pointe von Walter Jens' Judas-Dialog ist dagegen, dass Judas als ein Vertreter der Juden die Rolle des »Verräters- und »Gottesmörders« ablehnt: Was wäre, wenn er zu seiner von Gott vorgesehenen Rolle »Nein« gesagt und den Meister nicht zu seiner Mission gedrängt hätte? Dann hätte es für die Christen keine Erlösung gegeben. Muss also, wer an die Heilsbedeutung des Todes Jesu glaubt, in Judas nicht einen Gehilfen zum Heil entdecken?
Aber es geht nicht nur um Widerspruch. In seiner klugen Inszenierung verschiebt Regisseur Eck­hardt Kruse-Seiler die Bedeutungen. Als Jesus als Gefolterter vorgeführt wird, sieht man einen Menschen unter einem weißen Laken, auf dem Friedenswünsche und Liebesformeln in unter­schiedlichen Sprachen stehen.


 Ein blutig roter Fleck läuft vom Augenloch des Lakens herab: ein Hinweis darauf, dass überall Menschen zu Opfern gemacht werden. So bekommt auch der Dialog zwischen Pilatus und dem Chor einen anderen Horizont: Wenn Miguel Mavatiko den Pilatus Sänger Frederik Schauhoff zum Chor dreht, dann geht es nicht mehr um eine vermeintliche Schuld der Juden; mit dieser stummen Geste fragt er alle Politiker, ob sie so opportunistisch sind, sich der Menge oder dem Vorurteil zu beugen und die Unschuldigen preiszugeben. Faszinierenderweise funktioniert das - und zwar viel besser, als wenn man ängstlich an den antisemitischen Aussagen der Bach-Passion herumkürzen oder sie durch andere Texte ersetzen würde. 

Die Johannespassion besteht ja aus einer musika­lischen Lesung der Passionsgeschichte in ver­teil­ten Rollen mit den Chören als den drama­tischen Spitzen; Choräle und Arien kommentieren das Passionsgeschehen aus Sicht einer barocken Frömmigkeit. Bereits Bach tritt mit Arien wie dem »Zerfließe, mein Herze« immer wieder aus der Erzählung heraus, um das Erzählte nah an seine Zuhörer zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu bringen.

 Durch die Monologe und Tanzeinlagen werden dem nun weitere Kommentare aus heutiger Sicht angefügt. Und wenn Chor oder Evangelist wieder übernehmen, wirkt das gar nicht fremd, sondern es ergeben sich neue Assoziationen.


Will man nicht nur Musikliebhaber bedienen, sondern eine inhaltliche Auseinandersetzung anstoßen, dann muss man dieses Bachsche Kommentarfeld konsequent ausbauen. Die Kölner Inszenierung hat eine schlüssige Form dafür gefunden.














 
 
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